Mit dem Bauwendepreis der Universität Stuttgart werden studentische Arbeiten gezielt gefördert, die sich innovativ, forschend, kritisch oder gestalterisch mit der Bauwende beschäftigen. Der Preis soll Studierende motivieren, sich intensiver mit den drängenden Fragen unserer gebauten Umwelt auseinanderzusetzen und ihre Rolle als zukünftige Gestalter:innen aktiv wahrzunehmen. In den kommenden drei Jahren werden jährlich je drei Preise dotiert mit jeweils 1.000 Euro vergeben.
Die Einführung des Preises steht im Kontext der Erklärung der Dekane- und Abteilungsleiterkonferenz für Architektur, Raumplanung und Landschaftsarchitektur (DARL) vom April 2024, in der sich die Dekaninnen und Dekane bundesweit für eine Ausbildung positionieren, die die Klimakrise als zentralen Ausgangspunkt der Lehre begreift. Sie unterstützen die „10 Forderungen für eine Bauwende” der Architects 4 Future (A4F) und rufen dazu auf, „die Curricula der Studiengänge im Bereich Architektur, Stadt- und Raumplanung sowie Landschaftsarchitektur im Sinne der Bauwende zu überprüfen und anzupassen”. Mehrere Hochschulen schlossen sich kurz darauf zu einem Netzwerk „Gemeinsam für die Bauwende in der Lehre“ zusammen, denn „die Bauwende beginnt im Studium“.
Die Fakultät Architektur und Stadtplanung an der Universität Stuttgart unterstützt diese Haltung ausdrücklich. Sie ist unter anderem Teil der gemeinsamen Ringvorlesung des Hochschulnetzwerks, die seit dem 7. Mai 2025 unter dem Titel „Perspektiven auf Bestehendes” stattfindet.
Die Bauwendepreise der Universität Stuttgart werden mit finanzieller Unterstützung der Wüstenrot Stiftung vergeben.
FLUSS LAND BERLIN – Vom Versickern und Versanden
Masterarbeit - Elsa Kleinbach M.Sc. und Nicole Müller M.Sc.
Augezeichnet mit dem Bauwendepreis der Universität Stuttgart 2025
Die Arbeit befasst sich mit der Trinkwasserversorgung Berlins–einem Thema, das sich über weite räumliche und zeitliche Dimensionen erstreckt. Durch effiziente Infrastrukturen ist die Trinkwasserversorgung flächendeckend zu einer Selbstverständlichkeit geworden, was nun durch den Klimawandel erneut hinterfragt werden muss. Die Arbeiten verstehen sich als Vermittler einer intensiven Recherche und dienen der räumlichen und sinnlichen Darstellung von Abhängigkeiten und großmaßstäblichen Verknüpfungen innerhalb eines im Alltag unsichtbaren und zunehmend gefährdeten Systems. Als Teil der Vermittlung sind unter anderem eine räumlich-visuelle Darstellung des Grundwasserkörpers unterhalb Berlins, sowie ein erzählerisches Buch entstanden, das natürliche wie artifizielle Zusammenhänge in einem Narrativ verknüpft und schließlich mit einer Vision für ein Berlin im Jahr 2070 endet. Die gesammelten Arbeiten dienen dem Anstoß zu einer neuen Sensibilität.
Reclaimed Design – An availability-oriented design methodology for reclaimed lumber
Masterarbeit ITECH - Clara Blum M.Sc., Laura Marsillo M.Sc., Gonzalo Muñoz Guerrero M.Sc.
Augezeichnet mit dem Bauwendepreis (50%) der Universität Stuttgart 2025
Im Zeitalter der Ressourcenknappheit und des Klimawandels wird in dieser Studie eine Verlagerung hin zu ressourcenorientierten Entwurfsmethoden betont. Es wird ein Berechnungs- und Fertigungsrahmen für wiederverwendetes Holz entwickelt, um die Konstruktion auf der Grundlage von Materialeigenschaften zu unterstützen und die gewünschte Leistung und Flexibilität bei der Konstruktion zu erreichen. Die Herausforderung liegt in der Variabilität des Materials, die sich aus der unterschiedlichen Herkunft und früheren Verwendung ergibt. In dieser Forschungsarbeit wird eine Methode vorgeschlagen, die Materialanalyse, Datensatzerstellung, maschinelles Lernen, gleichgewichtsbasiertes Design, stationäre Robotertechnik und subtraktive Fertigung integriert. ML-Modelle sagen die Druckfestigkeit aus zerstörungsfreien Tests voraus, um einen hochauflösenden Materialgradienten zu erstellen. Ein 7 m langer Fachwerkbinder demonstriert das Potenzial der Methode zur Maximierung der Verwendung von wiederverwertetem Holz und zur Förderung des nachhaltigen Bauens.
Betreuung: Prof. Dr. Wortmann/ICD, Prof. Jan Knippers/ITKE
Gradient Density – A novel method for column-to-slab joints in point-supported cross-laminated timber slabs (50% Bauwendepreis) Otto Lindstam M.Sc., Chris Kang M.Sc.
Masterarbeit ITECH - Otto Lindstam M.Sc., Chris Kang M.Sc.
Augezeichnet mit dem Bauwendepreis (50%) der Universität Stuttgart 2025
In dieser Forschungsarbeit wird ein neuartiges Konstruktions- und Fertigungssystem untersucht, bei dem eine lokale Verdichtung des Holzes eingesetzt wird, um die mechanischen Eigenschaften zu verbessern und sie an die strukturellen Anforderungen anzupassen. Eine Schlüsselanwendung ist die Stützen-Decken-Verbindung in punktgestützten CLT-Platten, wo die Methode den Bereich verstärkt, ohne das Material zu durchstoßen, und Druck-, Biege- und Durchstanzlasten aufnimmt. Durch das Einpressen und Verkleben von Hartholzdübeln in den Querschnitt wird der lokale Faseranteil erhöht, während die ursprüngliche Höhe beibehalten wird, was zu einer Hochleistungsfuge führt. Die Studie umfasst Entwurf, Herstellung und Bewertung, die durch mechanische Tests, Herstellungsversuche und Prototyping untermauert werden.
Betreuung: Prof. Achim Menges/ICD, Prof. Jan Knippers/ITKE, Gregor Neubauer und Hans Jakob Wagner/ICD
"Das erste Haus"
Augezeichnet mit dem Bauwendepreis der Universität Stuttgart 2025
Studierende des Bachelorstudiengangs Architektur und Stadtplanung am Institut für Baukonstruktion (IBK/Prof. Ludloff) Reallabor der Universität Stuttgart - Beispiel einer kreislauffähigen Stadtreparatur
Sanierung eines Hauses auf der Grundlage des Zirkulären Bauens
zur Unterkunft für von Obdachlosigkeit betroffener Stuttgarter Bürger.
Studierende gestalten das sogenannte "Refugium" in Kooperation mit der evangelischen Kirchengemeinde um. Das Ziel: Mitten in Stuttgart soll hier moderner, nachhaltiger Wohnraum für eine sozial benachteiligte Person entstehen, die auf dem regulären Wohnungsmarkt kaum Chancen gehabt hätte.
Gemeinsam Stadt reparieren: Begehren und Vernunft
Im Rahmen des RealLabors „Das erste Haus“ hat das IBK mit Studierenden der Universität Stuttgart eine städtische Ressource: Ein leerstehendes, vom Verfall bedrohtes Gebäude der Evangelischen Gesellschaft (eva), als niederschwelliges An- gebot für Wohnungslose wieder nutzbar gemacht. Das „Refugium“ in Kaltental, im schützenden Schatten der Thomaskirche, gehört zu den wenigen Orten in Stuttgart, die sich erfolgreich dem Verwertungsdruck der Kommerzialisierung entzogen haben. Das Projekt veranschaulicht exemplarisch, wie eine sozial orientierte, prozesshafte Aneignung der Stadt gelingen kann.