Texlen

Johannes Pfaff
(IRGE/Prof. Allmann)

Die blühenden Landschaften von Schatzlar:

Ausgangspunkt für den Entwurf ist die Kulturlandschaft Europas. Früher geprägt von vielfältigster Bewirtschaftung sind heute durch Zusammenfassen von Flächen und Bewirtschaftung in Mittelgebirgen mit Fokus auf Weidewirtschaft völlig andere Ökosysteme zu finden. Das Gebiet um die Fabrik herum soll lokal das Ausgangsmaterial für die Leinenproduktion herstellen und damit Transportwege sparen. Neben Flachs sollen weitere ölhaltige Pflanzen angebaut werden wie Lupinen und Raps. Zu deren Blütezeit verwandelt sich die Landschaft zu einem einzigartigen, kleinteiligen Teppich aus vornehmlich blau blühenden Pflanzen, die in ihrer Vielfalt die Biodiversität fördern und die traditionelle Kulturlandschaft Mitteleuropas wieder stärken. Der blühende Teppich soll zum Markenzeichen der Stadt werden. Neben der Leinenproduktion soll der Entwurf Initialzündung für weitere Betätigungsfelder sein wie z.B. die Speiseölherstellung, Schneidereien und einen gesunden Tourismus fördern.

Die Weberei befindet sich im so genannten Bahnhofsviertel, dem nördlichen Teil der Stadt Schatzlar und davon am östlichen Ende. Die ehemalige und nun wiederbelebte Bahnstation befindet sich 300m entfernt. Sie wird für den Transport genutzt, aber kann zusätzlich der Bevölkerung wieder als Anbindung an die Stadt Trautenau zur Verfügung gestellt werden. Ähnlich dem Postbusprinzip werden Güter und Personenwagons mit derselben Lok gezogen. Die neu geschaffene Logistikstation von Texlen umfasst neben einem Neubau auch das alte Bahnhofsgebäude. Das neue Bahnhofsgebäude, in welchem Ladennutzungen unterkommen, adressiert den Personenbahnsteig und rahm den neu geschaffenen Platz im nördlichen Stadtteil, welcher sich punktsymmetrisch zum südlichen Ringplatz bei Kirche und Rathaus verhält.

Im Westen wird der neue Platz von einem neuen Mehrparteienhaus begrenzt, welches mehr Dichte ins Zentrum bringen und den Platz beleben soll. Bäume rahmen den Platz zusätzlich und schaffen in ihrer Setzung Blickbeziehungen zur Fabrik, welche mit ihrer Dachkonstruktion und dem Wasserturm lockt. In einem alten Hotel am Ostrand des Platzes sollen Besucherinnen und Besucher des Werkes, wie auch Geschaftsreisende des lokalen Gewerbes Unterkunft finden. Mittags wird in dessen Erdgeschossräumlichkeiten ein Mittagstisch angeboten. Die Bushaltestelle, welche an den Platz verlegt wird und die Hauptstraße mit Anschluss nach Polen und Trautenau machen den Ort sehr gut erreichbar.

In Nord- Süd Richtung verbindet die Stadt zudem ein gut ausgebauter Rad- und Fußweg, welcher von der Fabrik bis zum am Südrand gelegenen Schloss führt. Dieses wird zur Unterbringung für in den Ateliers lernende Auszubildende und Studierende genutzt. In einem Leerstand am Ringplatz könnte zudem eine Ölpresserei Platz finden. Teile der roten Kolonie (eine Bergarbeitersiedlung aus Vorkriegszeiten) sollen umgebaut und als Arbeiterwohnungen wiedergenutzt werden.

Die Formensprache des Gebäudes ist von den Industriebauten der Region inspiriert. Sowohl der rote Ziegelstein als auch die großen verglasten Öffnungen sind inspiriert von den Industriebauten der Industrialisierung. Über der Webhalle erzeugt ein Holzfachwerk ein Walmdach, welches von Titanzinkblech eingekleidet mit seiner asymmetrischen Form an die traditionellen „Bauden“ im Riesengebirge erinnert. Die L- Form wird durch die nicht rechtwinklige Setzung der Bestandsgebäude abgewandelt, der stumpfe Winkel des Neubaus geht über in eine konkave Rundung im nördlichen Flügel. Dieser wirkt von Norden etwas schlanker und die auf linker Seite gesetzte Lochfassade erzeugt ein Spiel aus Licht und Schatten.

Weberei, Spinnerei und das Ateliergebäude befinden sich auf dem Areal der alten Spinnerei. Sowohl das älteste Gebäude der ehemaligen Vorspinnerei als auch das ehemalige Hauptgebäude mit der Feinspinnerei werden erhalten. Nicht mehr nutzbare und teileingestürzte Gebäude werden abgerissen und wie auch Teile der Wirtschaftsgebäude der nahe gelegenen Kohlemine als Baustoffspender genutzt. Die L- förmige Anordnung der beiden bestehenden Gebäude wird durch einen ebenfalls L- förmigen Neubau zu einem Hof vervollständigt. Dabei sind die Ehemalige Feinspinnerei und der Neubau verbunden und beherbergen den gesamten Produktionsprozess.

Das Gebäude der ehemaligen Vorspinnerei steht frei und beinhaltet Verwaltung und Entwicklung, wie auch die Experimentalwerkstätten, die von Kunsthochschulen und Berufsschulen genutzt werden. Auf dem Dachboden sind zudem Räumlichkeiten für Schneidereiateliers und Studios vorgesehen.

Der Neubau beinhaltet neben der Produktion außerdem Flächen für den Aufenthalt der Mitarbeitenden und in den nicht betrieblich genutzten Stunden einen niederschwelligen Treffpunkt für lokale Vereine. Besucherinnen und Besucher dürfen zudem im Rahmen von Werksbesuchen das Schwimmbad der Fabrik zum Abschluss des Rundgangs nutzen. Der Neubau nutzt für die Produktion den natürlichen Höhenunterschied auf dem Gelände aus.

Die Anlieferung erfolgt am Ende des Neubaus im Obergeschoss und wird über das Lager mit der Karderie verbunden. Von dort aus wird die Karde in Tonnen in die Vorspinnerei im Altbau und daraufhin ins Erdgeschoss transportiert. Von dort aus wird die die für Jacquardmaschinen dimensionierte zweigeschossige Webhalle angedient. Für Besucherinnen und Besucher wird ein Showroom geschaffen, in dem Stoffe und Mode ausgestellt werden können und der einen Dialog zwischen fachkundigen und Laien eröffnet. Daran angegliedert befindet sich ein Werksverkauf und ein kleiner Vortragsraum.

Die Spinnerei erhält ein klassisches, symmetrisches Walmdach mit neuem Dachwerk. Im Bereich des Showrooms bringt ein schmetterlingsförmiges Oberlicht Licht durch eine textile Lichtglocke in die darunterliegenden Räume. Das Ateliergebäude bleibt in seiner Anmutung unverändert, wird jedoch technisch ertüchtigt und neu verputzt. Die mit Glasbausteinen zugemauerten, blickundurchlässigen Fenster werden durch Klare Fenster mit Holzrahmen ersetzt und die Innenräume entsprechend ihrer Nutzung mit Flachsfaserdämmung gedämmt und mit Leinen verkleidet.

Im Innenhof bringt ein großes Flachsfeld, bzw. eine Kräuterwiese grün in das Ensemble. Auf dem Feld können je nach Jahreszeit und Nutzung auch Veranstaltungen durchgeführt werden, die Topografie und der Blick in die Landschaft eignen sich hierfür sehr gut. Als Blickfang im ganzen Ort und als Hommage an den alten Schornstein wird auf dessen Fundament ein Wasserturm errichtet, der einerseits als Aussichtspunkt dient, aber auch seine Funktion als Speicher des Produktionswassers der Fabrik erfüllt.

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