Rising Doggerland - Splash

Kai Müller und Jonathan Schill
(IBK2/Prof. Ostermann)

50 Seemeilen westlich der dänischen Küste wird in der Nordsee die Errichtung einer neuen Offshore-Windkraftanlage geplant. Auf dem Gebiet des versunkenen Doggerlands soll eine künstliche Insel geschaffen werden, auf der ein Umschlagplatz die gewonnene grüne Energie des Windparks sammelt und auf das Festland führt. Als Bestandteil dieses Hubs sollte ein Forschungs- und Besucherzentrum entworfen und neue Strategien des Bauens unter extremen Klimabedingungen an Küstenregionen erforscht werden.

Im Vorprojekt kam die Idee auf, Ebbe und Flut in erster Linie nicht als Problem zu sehen, sondern als Chance, dem Gebäude einen einzigartigen Charakter zu verleihen. Aufgrund dieser grundsätzlichen Überlegung sollte die Nähe zum Wasser den Entwurf bestimmen. Als Teil der Landschaft sollte das Gebäude im Einklang zu den Gezeiten stehen und dem Wasser Platz zum Fließen lassen.

Der Baukörper wurde in einzelne Teile aufgelöst, um der Flut Raum zu geben und durch die gebaute Struktur zu fließen. Die einzelnen Gebäudeteile wurden im Sandboden versenkt und wachsen wie Hügel aus dem Untergrund heraus, um Architektur und Natur verschmelzen zu lassen.

Als weitere Gegebenheit vor Ort musste das ständig wechselnde Verhältnis des Baukörpers zum umgebenden Wasser beachtet werden. Der dauerhaft ansteigende Meeresspiegel stellte im Verlauf des Entwurfs die Aufgabe, auch langfristig eine geeignete Lösung für den Umgang mit dieser Situation zu finden.

Um jedem Raum einen eigenen Charakter zu verleihen, wurden die einzelnen Strukturen in der Höhe auf unterschiedliche Niveaus angeordnet. Das auf diese Weise veränderte Verhältnis zum Wasserspiegel erzeugt in jedem Raum eine unterschiedliche Atmosphäre.

Das Motiv des Fließens soll sich durch das gesamte Erlebnis der Besucher ziehen, und beginnt bereits am unscheinbaren Eingang des Baukörpers, der den ersten Hügel bildet. Über eine lange, geschwungene Rampe taucht man ein und gelangt zunächst in den tiefliegenden Kern der Struktur. Dort angekommen, bildet das Foyer den zentralen Knotenpunkt, der alle Räume miteinander verbindet.

Grundsätzlich ist das Gebäude in zwei Abschnitte gegliedert: Der öffentliche Besucherbereich umfasst Ausstellung und Café, der private Forschungsbereich wird in Büroräume und eine große Forschungshalle unterteilt.

Die schwellenlose Verschmelzung mit der umgebenden Landschaft ermöglicht es dem Besucher nicht nur durch, sondern auch um oder auf das Gebäude zu gehen. Mit der ständigen Veränderung des Wasserspiegels befindet sich auch die begehbare Fläche im Außenraum und die wahrgenommene Form in ständigem Wandel. Gezeiten und Struktur wirken zusammen als Wasserspiel.

Den Nutzungen werden separate Hügel zugewiesen, die über tunnelartige Rampen miteinander verbunden und erschlossen sind. Gezielt gesetzte Öffnungen in den Hügeln stellen den Kontakt zur Außenwelt her. Mal erblickt man wie durch Bullaugen den Horizont der Nordsee, mal dienen sie als Oberlichter über die bei Flut die Wellen schwappen, sodass das Gefühl entsteht, sich unter Wasser zu befinden. Der Besuch soll zu einem Erlebnis des Ein- und Auftauchens werden.

Den einzigen Bruch mit der ansonsten geschlossenen Hülle bildet der zylindrische Turm. Als technisch-rationales Element befreit er sich von der restlichen Struktur und schafft eine gezeitenunabhängige Verbindung von Innen- und Außenraum. Die Höhe bietet Aussicht auf die Landschaft aus Gebäude und Natur und sorgt im Falle einer Sturmflut für die sichere Evakuierung.

Konstruktiv wirkt die Form als Schale und ist somit bestens geeignet, um dem hohen Druck von Sand und Wasser standzuhalten. Die organische Form wird über eine aufblasbare "Airform" generiert, welche später als dampfdichte Schicht im Wandaufbau integriert ist.

Diese wird vor Ort zunächst von innen mit einer PU-Dämmung ausgeschäumt, von außen wird wasserdichter Spritzbeton aufgetragen. Die Bullaugen bestehen aus doppelgekrümmtem VSG und wölben sich konvex aus der Betonschale nach außen. Mithilfe von Bohrpfählen wird das Gebäude im Sandboden verankert. 

Die unterschiedlichen Bezüge zur Außenwelt stehen in direkter Verbindung zu Licht und Wasser. Das Spiel mit der Natur und die fließende Bewegung spiegelt sich gleichzeitig in der Atmosphäre im Innenraum wider.

Projektautoren: Kai Müller und Jonathan Schill (Bachelorarbeit)
Betreuung: Piotr Fabirkiewicz, Simon Vogt, Andreas Greiner
SoSe 2021

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