Metamorphose - Die Architektur der Zelle

Mi Tian
(IBBTE/Prof. Schürmann)

In der Natur gibt es einige Lebewesen, die in verschiedenen Lebensphasen unterschiedliche Formen haben. Dieses Phänomen wird “Metamorphose” genannt. Die Metamorphose - Umwandlung eines Lebewesens bedeutet, dass seine Organe aufgrund unterschiedlicher Bedürfnisse in verschiedenen Stadien degenerieren, sich umbauen und regenerieren, um den Zweck der Anpassung an die aktuellen Bedürfnisse zu erreichen.

Wie könnte nun eine potenzielle Übertragung dieses Phänomens in den Bereich Architektur aussehen? Kann diese biologische Theorie der Metamorphose sinnhaft angewendet werden? Wenn wir uns die Stadt als organischen Lebenskörper vorstellen, scheint eine positive Beantwortung dieser Frage nicht ausgeschlossen. Die Gebäude der Stadt könnten den Organen gleichgesetzt, durch deren koordinierte Arbeit die gesamte Stadt am Laufen gehalten wird. Die Iteration der Organe sichert den Stoffwechsel der Stadt. Eine Architektur, die sich ständig an ihre Umgebungen und unterschiedliche Bedürfnisse anpassen kann, ist dann kein totes Objekt, sondern ein lebensspendendes Organ. Die Grundstruktur eines Organs ist die Zelle. Durch Differenzierung exprimieren Zellen selektiv ihre Gene, um sich zu unterschiedlichen Zellen mit unterschiedlichen Funktionen zu entwickeln und so unterschiedliche Organe zu bilden.

Stellen wir uns in Analogie dazu eine Architekturtypologie mit Zellen als Grundeinheit vor. Mehrere Zellen können frei kombiniert werden, um verschiedene Zellenclusterformen zu bilden, die die Eigenschaft besitzen sollen, sich an verschiedene Veranstaltungsorte anpassen zu können.  

Die Basis dieser Architekturtypologie sind zwei verschiedene Zelleinheiten. Eine davon beinhaltet die vertikale Erschließung. Die unveränderliche Struktur der Zelleneinheiten ist ihre tragende Struktur und die Außenwände. Für die tragende Konstruktion wird der Holzträgerrost ausgewählt. Da er einen stützenfreien Innenraum bietet, ist die sich daraus ergebende Raumnutzung flexibel. Die Fassade wird mit Holzschindel konstruiert, das sich für runde Fassadenformen eignet. Der wandelbaren Konstruktion der Zelleneinheit sind die Trennwand, die Möbel und die Einbaumöbel am Fenster. Das gesamte Bauwerk ist weitestgehend aus Holz gebaut. Von der Tragkonstruktion bis zu den Einbaumöbeln, von den Innenwänden bis zur Außenwand.

Um diese Architekturtypologie zu testen und an fiktiven Szenarien zu durchdenken, nehmen wir die Baulücke am Erwin-Schoettle-Platz im Stuttgarter Westen als Grundstück. Schauen wir uns in fünf angewandte Szenarien an, wie das die oben erwähnte Architekturtypologie auf ihrem Kontext reagiert und sich wandelt. 

Szenarienwechsel:

Szenario 1 – Wohnen: Aufgrund der aktuellen Wohnungsnot in Stuttgart wird dieses Gebäude zunächst als ein Mehrfamilienhaus mit hauptsächlich kleinen Wohnungen erscheinen. Die an beiden Enden angeordneten Zellen bieten dem Gebäude die Möglichkeit der vertikalen Erschließung. 

Szenario 2 – Wohnen (Wachsen): Wenn der Urbanisierungsprozess weitergeht, brauchen wir mehr Wohnungen in Stuttgart. So wird dieses Gebäude in den Innenhof wachsen und dort weitere Wohnungen bieten. 

Szenario 3 – Werkstatt (Transformation): Ohne das Volumen und die Struktur der Architektur zu verändern, wird das gesamte Gebäude in eine Werkstatt verwandelt.

Szenario 4 – Verwaltung + Veranstaltung (Transformation): Natürlich kann dieses Gebäude auch zwei Funktionen gleichzeitig haben und unterschiedliche Nutzgruppen zu unterschiedlichen Zeiten bedienen. 

Szenario 5 – Museum (Verwelken): Eines Tages kann das Gebäude bei Bedarf dem Publikum mehrere öffentlichen Plätze schenken. Es kann in ein Museum mit nur drei Zellen übergehen.  Dadurch entsteht westlich des Gebäudes ein neuer Platz als öffentlicher Stadtraum.

Betreuerin: M. Sc. Andreea Puscasu

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