Architektur als gesellschaftliche Handlungsdisziplin erleben: Das wollen die Architekturstudierenden am Lehrstuhl IBK (Lehrstuhl für Nachhaltigkeit, Baukonstruktion und Entwerfen am Institut für Baukonstruktion) der Uni Stuttgart mit dem entstandenen Selbstbauprojekt „Demokratische Konstruktionen“ vermitteln. Am Lehrstuhl werden in den der ersten zwei Bachelorsemester baukonstruktive Grundlagen erlernt. Unter der Leitung von Prof. Dipl.-Ing. Jens Ludloff entstanden im Sommersemester 2023 verschiedene Konstruktionen aus Holzlatten, die aneinandergereiht und überspannt mit rotem Stoff einen Versammlungsort im Stuttgarter Stadtgarten bildeten. Anlass bot das Festival „GroudBreaking Stadtgarten“, das die Uni Stuttgart zum IBA’27 Festival #1 beitrug. Vom 4. bis 23. Juli 2023 konnten alle Interessierten den Pavillon über einen digitalen Kalender kostenfrei für Veranstaltungen buchen oder sich auch lediglich über das geplante Programm informieren.
Architektur als soziale Plastik
Das vom IBK angebotene Modul „Bautechnische Grundlagen“ teilt sich auf zwei Semester auf. Im Wintersemester 2022/23 untersuchten die Studierenden unter dem Titel „Zeitgeister“ historische und aktuelle Baustoffe und ihre Fügungstechniken in Stuttgart. Aus ihren Erkenntnissen erstellten sie einen Katalog, der ihnen in den nächsten Semestern als Grundlage dienen kann. Im folgenden Sommersemester hatten die Modulteilnehmenden die Chance, das zuvor erworbene theoretische Wissen anzuwenden. In einem DesignBuild-Projekt konnten sie ihre Selbstwirksamkeit erfahren. Die Lehrenden bezogen sich dabei auf den von Joseph Beuys geprägten Begriff der „Sozialen Plastik“, laut dem Kunst die Gesellschaft formen und verändern kann. Im Stadtgarten sollte ein Ort für die Öffentlichkeit entstehen, um das kulturelle Leben und den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft zu fördern.
Von der Idee bis zur Realisierung
Bevor es mit dem Selbstbauen losging, bereitete ein von fakultätsinternen Werkstattleiter*innen und Tutor*innen durchgeführter Workshop die Studierenden auf die praktische Erfahrung vor. Ausgestattet mit Glattkantbrett und Japansäge bauten die Zweitsemester nach den Plänen des japanischen Architekturbüros Torafu Architects Hocker, auf denen sie später bei der Eröffnung der „Demokratischen Konstruktionen“ saßen.
Der eigentliche Bau des Pavillons war in mehrere Phasen aufgeteilt. Mit historischen Tragstrukturen wie Hebelstab- oder Fachwerken im Hinterkopf entwarfen alle 200 Studierenden im ersten Schritt skizzenhafte Konstruktionen. In der Folge entwickelten jeweils drei Studierende eine Idee weiter und setzten sie in ein Modell im Maßstab 1:20 um. Von diesen wurde wiederum gut die Hälfte – nämlich 39 verschiedene Entwürfe – zur Realisierung ausgewählt. In nunmehr Fünfergruppen bauten die Zweitsemester die Konstruktionen aus bis zu 2,50 Meter langen Holzlatten probeweise auf. Mithilfe von Sandsäcken, die an die Strukturen gehängt wurden, überprüften sie diese auf Tragfähigkeit und Gebrauchstauglichkeit. Auftretende Verformungen wurden dokumentiert und die Entwürfe, falls nötig, verbessert. Nach erfolgreich bestandener statischer Prüfung richteten die Studierenden sie aneinandergereiht im Stadtgarten auf und bespannten sie mit transluzentem Textil. Der fertige Pavillon wurde mit einem Bürgerfest feierlich eröffnet.